Über Partnerwahl

Naja, es mag schon auch selbstredend Zufall mit dabei sein, nur: man kann sich ja auch fragen: was war daran kein Zufall. Der Zufall ist sozusagen „transzendent“. Ist etwas aus Zufall geschehen, dann brauchen wir uns nicht mehr weiter darüber zu unterhalten, warum. Warum habe ich nun die 6 gewürfelt. Ist ja dann vielleicht eher die Frage: warum habe ich überhaupt gewürfelt? 😉

Und zu den Partnerschaften: wir sind doch beständig dabei, unsere Gefühlswelten auszubalancieren. Nähe, Distanz, Ängste, Freude, Liebe… . Und wenn ich mir einen Partner suche, der dieselbe Krankheit hat, dann bedroht mich das doch auf eine Art doppelt. Klar, ich habe mich ja auch dabei ertappt, davon zu träumen…, aber doch sicher nicht, weil ich das nun sooo doll oder erotisch finde, einen behinderten Partner zu haben.
Machen wir einen Exkurs ins Reich der Perversionen. Fritz Morgenthaler hat diese mal mit Plomben verglichen. Bestimmte Ängste werden dadurch „verplombt“, dass wir im Bereich des Sexuellen diese gerade sozusagen suchen. Ein Nekrophiler hat Angst vor dem Tod, und: tut so, als könnte ihm dieser nichts antun, indem er ihn sozusagen „liebt“. Kann jemand nur unter ner Gummimaske und gefesselt sexuellen Genuß empfinden, so kann man demnach die Frage stellen, wieviel Angst er wohl eigentlich vor geschlossenen Räumen und einem Ausgeliefertsein hat … usw..
Nun möchte ich nicht behaupten, dass es eine Perversion ist, wenn wir Behinderte lieben, aber es kann eine sein. In meinem Fall halte ich die Vorstellung meine „Traumfrau“ könnte Malatschik haben, zumindest für eine Vorstufe davon. (Immerhin gingen meine Phantasien nicht in den Bereich sexueller Handlungen…)
Das würde mir mit Sicherheit auch erhebliche Ängste machen, auf eine Partnerin zu treffen, die sichtbare Einschränkungen hat. Klar, auch das kann man sicher überwinden. Und ich glaube ja eben auch, dass eine solche Vorstellung durch eigene „Minderwertigkeitskomplexe“ motiviert wird. Ich habe Angst mit meiner Malatschik zweitklasig zu sein, ein Partner mit Malatschik geht es nicht anders, man gründet eine „Notgemeinschaft“ … fühlt sich in der Phantasie viel besser verstanden.
Nur ich glaube: gerade weil jemand dieselben großen Ängste hat, kann er noch lange nicht besser mit umgehen. Es ist doch innerlich eine erhebliche Katastrophe für mich, davon zu hören, dass ein Malatschikkranker blind geworden ist, wenn mir selbst so konkret dieses Schicksal droht. Höre ich von einem Canzolkranken, der blind ist, kann ich sicher viel gelassener und vielleicht gerade deshalb einfühlsamer mit umgehen, weil es mich selbst nicht gleich mit aus der Bahn wirft… .
Ich glaube und habe dies ja auch bei mir selbst gefunden, dass wir sehr schnell versucht sind, die anderen Malatschikler als „unsere große Familie“ anzusehen, die alles verstehen (sollen), immer da sind… und uns unendlich weit tragen können. Ich halte es für wichtig, auch hier ein gewisses Maß an Realität zu behalten, und jenseits unserer Symbiosewünsche auch anders mit unserer Angst umzugehen.

Vielleicht sollte man die Dinge nicht immer so konkret benennen?

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Eine Antwort

  1. merke gerade meine Sensistörungen…, und frage mich: wird das nun langsam immer schlimmer? Ansonsten gehts ganz gut.

    Provokativ in dem Sinne, dass man drüber nachdenken muss, schadet ja selten. Einige meinen immer schon ohne Nachdenken gleich provozieren zu müssen. Das ist weniger schön, glaube ich.

    Liebe ist mystisch… da kann man außer Gedichten wenig zu schreiben, denke ich. Mal sehn:

    Am Anfang basiert ne Liebesbeziehung wohl meist auf Verliebtheit, also eigenen Phantasien, Projektionen die nur zum Teil mit dem anderen zu tun haben-
    Liebe kommt erst mit der Zeit und wahrscheinlich kann Liebe auch Stigmatisierungen tatsächlich überbrücken.!
    Liebe, das ist eher eine längere Entwicklung und ein Prozess glaube ich. Verliebtheit ist was ganz anderes.
    Ob man sich mit ner Behinderung „zweitklassig“ fühlen muss, weiß ich nicht. Aber sicher ist, dass man eben stigmatisiert und ausgegrenzt wird auf eine Art.
    Die Ethnopsychoanalyse hat das sogar zu einer Forschungsmethode gemacht. Ethnopsychoanalytiker gehen in eine fremde Kultur. Dort erleben sie den „sozialen Tod“. Sie wissen wenig über die fremde Kultur, bleiben Außenseiter und erfahren so: besonders viel über sich, ihre Muster und die eigene Kultur. Können so unbewußte Strukturen vor allem ihrer eigenen Kultur erlebbar machen. Wie ich finde, ein sehr spannender Ansatz. Nur: die Forscher erleben eben diesen sozialen Tod, werden angefeindet… ausgegrenzt, stehen ziemlich alleine da. Schön ist das sicher nicht immer, und für diese Erkenntnisse wird ein recht hoher persönlicher Preis bezahlt. Solange man gute Freunde hat, sich trotzdem geliebt fühlen kann, innerlich sehr stabil ist,… ich weiß nicht, nach welchen Kriterien man Lebenswege einkategorisieren könnte. Es muss nicht so sein, dass es besser ist viel zu „wissen“.
    Ansonsten macht es sicher noch einen Unterschied, ob ich den „sozialen Tod“ frei wähle, oder reingezwungen werde. Vielleicht haben wir MalatschiklerInnen sehr viel mit jenen Forscher gemeinsam. Merkwürdig, dass ich erst jetzt auf diesen Gedanken komme.

    Andererseits: es gibt ja auch ne andere Erfahrung!
    Ist das eine erschreckende Erfahrung, dass unsere Behinderung für andere vielleicht gar nicht soo schlimm ist? Dass sie uns vielleicht halten können. Oder sich für ganz andere Sachen auch noch interessieren? Ich glaube, das ist auch eine sehr wichtige Erfahrung, sicherlich weit ab, vom „sozialen Tod“.

    herzliche Grüße

    crav4del8

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