Archive for Juli 2013

Diagnose – was nun?
Juli 5, 2013

Eines Tages, ich hätte es nie geglaubt, wache ich auf, und die Erde bebt. Vielleicht war es auch gar nicht die Erde, sondern mein Körper, also ging ich zum Arzt oder Seismologen und der stellte fest, ja, die Befunde sprechen eine eindeutige Sprache, die Bilder und Aufzeichnungen machen es sichtbar: ich wohne in einer Erdbeben-Region. Es gab sogar schon öfters kleinere Beben, die ich wohl bislang verschlafen hatte. Es wird wohl auch noch weitere geben. Keine Versicherung der Welt will mich mehr als Kunden aufnehmen, ein Wegziehen ist mir leider auch nicht möglich – was nun?

Erstmal diskutiere ich mit dem Seismologen, der kennt sich schließlich mit der Diagnose von Erdbeben aus, aber eingestürzte Mauern wieder aufbauen, Vertrauen in den eigenen Leib wieder herstellen – da ist er kein Experte. Seine Innung ist eng verbandelt mit dem Verband der Erdbeben-Forscher, die schon seit Jahrzehnten entsprechende Mittel erproben, um das Auftreten von Erdbeben möglichst zu verhindern. Erst war man völlig hilflos. Seit einiger Zeit gibt es Hoffnung: Jahrzehntelange placebokontrollierte Studien haben schließlich ergeben, dass es hilft, sich mit einem schweren Brett kräftig jeden morgen auf den Hinterkopf zu hauen. Zumindest hat es in einigen Regionen nachweislich  gut geholfen, sodass die Betroffenen dort fleißig weiter machen, während die Personen in der Placebogruppe (Hauen ohne Brett) mangels Erdbeben inzwischen die Lust an der Studie aufgegeben haben, und abgebrochen haben. In anderen Gebieten, wo weiter Erdbeben auftraten, brachen stattdessen gerade jene die Studie ab, die sich erfolglos mit dem Brett behandelten. Hier setzten vor allem jene in der Placebogruppe verzweifelt die Studie fort, denn  es müsse ja getan werden, und zum Ende der hoffentlich erfolgreichen Studie würde ihnen dann das Geheimnis des Wirkstoffes auch verraten. Kein Wunder also, dass nach hochwissenschaftlichen Erkenntnissen sich nach dreijähriger Studiendauer zeigte, dass nach Herausrechnen aller Abbrecher in dem Gebiet, wo Menschen sich jeden morgen ein Stück Brett hart auf den Kopf schlugen, die Erdbebenquote zu 30% im Vergleich gesunken war. Was lag also näher, als sich den Experten und ihren Studien weiter auszuliefern?

Was aber, wenn es gegen Erdbeben gar keine Therapie gibt? Wenn der Seismologe nach der Diagnostik also sein Möglichstes getan hat, und nun vielleicht ganz andere Wege angesagt sein könnten, die eigene Lebensqualität möglichst zu schützen. Was tun, in dem von Erdbeben immer wieder bedrohten Land? Wer kann trösten, wer trauert mit? Wer schickt vielleicht Aufmunterung? Könnte man die Lieblingsband zum Konzert buchen, Feste feiern, die Pläne für die nächsten Wolkenkratzer und AKWs vielleicht in der Schublade lassen, stattdessen kleinere, bunte oder lustige Brötchen backen?

Diagnose Malatschik: ich glaube, es macht Sinn, bei ganz konkreten Beschwerden auch zum Arzt zu gehen, und sich zu beraten, ob es nicht Hilfe gibt. Bei mir hilft Lyrica z.B. wunderbar und kurzfristig gegen immer mal wieder auftretende Schmerzen. Dass die Medizin die MS stoppt oder eingrenzt, diese Hoffnung habe ich längst aufgegeben. Der Preis dafür (Nebenwirkungen, ständige Arztbesuche,…) war mir viel zu hoch.

Wie geht es also weiter? Ohne Hoffnung wird es kaum gehen, und wer die Hoffnung der Basistherapie braucht, dem sei sie gegönnt.  Nach Freuds Ziel, „neurotisches Elend in normales Unglück“ zu verwandeln könnte es auch gelten, Trauern oder das Unvermeintliche auszuhalten. Auf diesem Planeten ist eben Diversen im Argen. Andererseits – das Wundern und Staunen nimmt gar kein Ende.

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Wann beginnt die eigene Erkrankung?
Juli 5, 2013

Meiner Meinung nach hat man „Malatschik“ von dem Moment an, wo die Diagnose gestellt ist. Genauso ist derjenige „schwerbehindert“, der eben einen Ausweis hat.Zudem könnte man rückwirkend sagen, beginnt die „Malatschik“ ab dem Moment, wo man einen ersten ernsthaften Zweifel hat. Von da an nimmt das Unheil seinen Lauf. Der oder die Betroffene beginnt dem eigenen Körper zu mißtrauen. Fühlt sich gekränkt, krank, es stimmt was nicht mehr und wird wohl nie mehr stimmen. Rückwirkend ist dieser Augenblick, jener schmerzliche Gedanke, der sich nicht mehr verdrängen hat lassen der Beginn der „Malatschik“.

Je länger es gelingt, diese Zweifel klein zu halten, desto besser!