29.4.03
Hallo Ihr!
will man immer der sein, der man ist?
Also ich glaube, dass es schon für einen Psychotherapeuten sehr schwierig ist, „krank“ oder behindert zu sein, und sicher würde wohl kaum jemand zu einem gehen wollen, der offensichtlich an einer psychischen Erkrankung leidet. (Man so pauschal gesagt). Oder würdet Ihr einer Zahnärztin vertrauen, die an Karies leidet, oder zu einem Dackdecker gehen, der sein eigenes Haus nicht wasserdicht halten kann…?!
Sicher geht es da Ärzten und anderen aus heilenden Berufen noch erheblich schlechter mit so einer Erkrankung, denn das ist doch sicher eine ungemeine Kränkung, wenn der Arzt offensichtlich „kränker“ ist, als seine PatientInnen?!
Damit meine ich vor allem die eher unbewußten Gedanken und Kategorien. Klar ist „Gesundheit“ nur ein theoretisches Konstrukt, und wir erhoffen uns von Ärzten etc. ja auch Mitgefühl und Verständnis. Aber gerade deswegen wollen wir ja auch starke Ärzte oder Helfer haben. Es ist ja auch für die PatientInnen immer eine Kränkung krank zu sein, auf eine Art ja auch schlimm, Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Und da will man doch wenigstens im Normalfall das Gefühl haben, einen verständnisvollen, großartigen Halt gefunden zu haben. Müssen PatientInnen angesichts offensichtlich schwacher und leidender Ärzte bzw. „Heiler“ nicht skeptisch werden, ob jene wirklich genügend Kraft, Wissen… Ressourcen haben, sich ihnen entsprechend zuzuwenden?
Kennt ihr diese Gedanken? Wie geht Ihr damit und dieser potientiellen Kränkung um? Was denkt Ihr dazu?
liebe Grüße
crav4del8
klar wird nur Psychologe, wer das auch nötig hat. (Es mag ein paar Ausnahmen geben, zu denen ich mich aber sicher nicht zähle.)
nur: es kann schon ganz schön schlimm sein, mitzubekommen, dass man auf seinen Therapeuten doch angewiesen ist auf eine Art, und dann Angst bekommt, dass der vielleicht doch nicht soo doll ist… . Wir brauchen eben zuweilen Hilfe, und dann ist es oftmals zumindest schlimm, einen zumindest teilweise „hilflosen“ Helfer erleben zu müssen. Wobei ich eben schon auch denke, dass Menschen nie perfekt sein können, und es gilt auch problematische Seiten zu integrieren. Nur wenn man gerade in großer Not ist… dann mag das schwerfallen. Insofern reicht es sicher, wenn die Helfer in ihrem Bereich gut sind. Nur es mögen eben Zweifel aufkommen, selbst wenn die rational nicht zu begründen sind, und tatsächlich bekommen wir sicherlich zumindest auch ein paar Schwierigkeiten, in unserem Beruf wirklich gut zu sein, wenn solch eine Erkrankung uns lähmt. Andererseits mag uns eine solche Not ja auch anspornen, keine Frage. Irgendwoher muss die Motivation ja auch kommen. Allerdings halte ich auch fest an dem Gedanken, dass der Neid unter Behinderten viel größer ist, als gegenüber Nichtbehinderten, und es mag auch uns oftmals sehr schwer fallen, unsere sadistischen Impulse, die durch unser Leiden sicher nicht geringer geworden sind, im Zaum zu halten!
Prinzipiell halte ich es für absolut wesentlich, Kontakt, Nähe, Lebendigkeit und Verständnis in der Beziehung entwickeln zu können. Gelingt dies, ist sicher sehr viel gewonnen, und es mag dann sogar wichtig sein, erleben zu können, dass Schwierigkeiten auch bewältigt werden können.
liebe Grüße
crav4del8
Bin auch Therapeutin und habe „ES“ (AS).
Aber Medizin und Psychologie sind mein Spezialgebiet. Man kann anderen helfen weil man sich besser einfühlen kann wenn man selbst betroffen ist. Aber hilft man auch sich selbst wenn man so viel mit schwierigen Menschen zu tun hat? Deshalb ist wohl ein Ausgleich wichtig. Dass man auch mal etwas zurück bekommt und nicht nur geben muss.
Auch das Dach eines Dachdeckers geht mal kaputt und auch ein Zahnarzt braucht mal einen Zahnahrzt, deswegen muss er nicht schlechter sein, wenn der Mensch es dann schafft mit seinen Problemen auch umzugehen und zu versuchen sie zu lösen. Aber das sind alles Dinge, Zähne und Dächer. Einen Menschen kann man nicht reparieren oder sanieren, ein Mensch ist ein Individuum und jeder braucht etwas anderes.
LG
Lil
Ob und wer sich besser einfühlen kann, das halte ich für nicht so einfach. Ist man selbst betroffen und krank, Dann ist man oft auch vielmehr „verstrickt“. Ich würde NIE zu jemanden in Psychotherapie gehen, der dieselbe Krankheit bzw. Behinderung hat, wie ich selbst. Psychotherapie und Dachdecker sidn hier nicht zu vergleichen. Mein Zahnarzt kann so sadistisch sein, wie er möchte -solange er meine Zähne ordentlich behandelt. In der Psychotherapie geht es um viel mehr … da ist alles wichtig!
Wer weiß zudem schon selbst, was er so genau braucht? Was heißt „Ausgleich“? Dieses Leben IST unser Leben. So einfach kann niemand aus der eigenen Haut.